Geschichte der russischen Revolution Bd 2 by Trotzki Leo
Autor:Trotzki, Leo [Trotzki, Leo]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Sachbuch-Geschichte & History
ISBN: 9783596266043
Herausgeber: Fischer Taschenbuch Verlag
veröffentlicht: 1982-11-15T00:00:00+00:00
Kapitel 17: Austritt aus dem Vorparlament und Kampf um den Sowjetkongreß
Jeder Tag des Krieges erschütterte die Front, schwächte die Regierung, verschlechterte die internationale Lage des Landes. Anfang Oktober entfaltete die deutsche See- und Luftflotte aktive Operationen im Finnischen Meerbusen. Die baltischen Matrosen schlugen sich tapfer, bemüht, den Weg nach Petrograd zu versperren. Doch begriffen sie schärfer und klarer als andere Truppenteile der Front den tiefen Widerspruch ihrer Lage als Avantgarde der Revolution und als unfreiwillige Teilnehmer des imperialistischen Krieges, und sie schleuderten durch die Radiostationen ihrer Schiffe einen Ruf um internationale revolutionäre Hilfe in alle vier Windrichtungen. "Attackiert von überlegenen deutschen Kräften, geht unsere Flotte im ungleichen Kampfe zugrunde. Keines unserer Schiffe wird dem Kampf ausweichen. Die verleumdete, gebrandmarkte Flotte wird ihre Pflicht erfüllen nicht auf Befehl irgendeines traurigen, durch die Langmut der Revolution herrschenden russischen Bonaparte ... nicht im Namen der Verträge unserer Regierer mit den Alliierten, die die Hände der russischen Freiheit mit Ketten fesseln. Nein, aber im Namen der Wacht über die Zugänge zum Revolutionsherd Petrograd. In der Stunde, wo die Wellen des Baltischen Meeres mit dem Blute unserer Brüder sich verfärben, wo das Wasser über ihren Leichen sich schließt, erheben wir unsere Stimme: ... Unterdrückte in aller Welt! Entfaltet das Banner des Aufstandes!"
Die Worte von Kämpfen und Opfern waren keine Phrase. Das Geschwader verlor das Schiff Slawa und zog sich nach Kampf zurück. Die Deutschen eroberten die Monsundinseln. Es wandte sich noch ein schwarzes Blatt um im Buche des Krieges. Die Regierung beschloß, den neuen militärischen Schlag auszunutzen zur Verlegung der Residenz: dieser alte Plan tauchte bei jedem geeigneten Anlasse wieder auf. Nicht Sympathien für Moskau beherrschten die regierenden Kreise, sondern Haß gegen Petrograd. Monarchistische Reaktion, Liberalismus, Demokratie waren nacheinander bestrebt, die Hauptstadt zu degradieren, sie in die Knie zu zwingen, zu zermalmen. Die heftigsten Patrioten haßten jetzt Petrograd mit einem viel glühenderen Haß als Berlin.
Die Evakuationsfrage nimmt den Weg äußerster Dringlichkeit. Für die Übersiedlung der Regierung zusammen mit dem Vorparlament werden zwei Wochen angesetzt. Es wird beschlossen, die für die Landesverteidigung arbeitenden Betriebe ebenfalls in kürzester Frist zu evakuieren. Das Zentral-Exekutivkomitee, als eine "Privatinstitution", müsse um sein Schicksal selbst Sorge tragen.
Die kadettischen Inspiratoren der Evakuierung wußten, daß eine einfache Übersiedlung der Regierung die Frage nicht löst. Aber sie spekulierten darauf dem Herd der revolutionären Seuche durch Hunger, Entbehrungen und Erschöpfung beizukommen. Die innere Blockade Petrograds war bereits in vollem Gange. Den Fabriken wurden die Bestellungen entzogen, die Belieferung mit Heizstoff um das Vierfache eingeschränkt, das Ernährungsministerium hielt das in die Hauptstadt gehende Vieh zurück, im Mariinski-Kanalnetz wurden die Ausladungen eingestellt.
Der kriegerische Rodsjanko, Vorsitzender der Reichsduma, die aufzulösen die Regierung sich Anfang Oktober endlich entschlossen hatte, sprach sich mit voller Offenheit in der liberalen Moskauer Zeitung Utro Rossji über die Kriegsgefahr aus, die der Hauptstadt drohte. "Petrograd? ich meine, Gott mit ihm ... Man befürchtet, es könnten dort Zentralinstitutionen [das heißt Sowjets und so weiter] zugrunde gehen. Darauf erwidere ich nur, daß ich sehr froh wäre, wenn all diese Institutionen zugrunde gingen, weil sie Rußland nichts als Böses gebracht haben.
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